ArchitekturZeit 2009 - Ringlokschuppen Ost

    Der Ringlokschuppen in Hannover - ein vergessener Ort

    Im Rahmen der diesjährigen ArchitekturZeit 2009 hat die letztjährige Initiative der „Stillen Station“ bestehend aus Architekten vom BdB ( Heiner Lippe, Irmgard Schwarz, Andrea Gerke), vom BDIA (Michael Jühlke) und dem Kulturwissenschaftler Peter Struck den Ringlokschuppen Ost unweit des hannoverschen Hauptbahnhofs für drei Abende geöffnet und mittels Raum-, Klang- und Bewegungsszenarien zum Leben wiedererweckt. Die Idee und das Konzept zur Öffnung von nicht mehr zugänglichen Orten ist auch dieses Jahr wieder aufgegangen.

    Historische Daten

    Das historische Baudenkmal an der Bultstraße entstand in den Jahren zwischen 1877 bis 1890. Während der darauffolgenden 127 Jahre Eisenbahnbetrieb diente der Ringlokschuppen der Reparatur und Wartung von Dampfloks und später elektrischen Schnellzugmaschinen. Von 1930 bis 1964 galt das Betriebswerk Hannover Ost als größtes Schnellzug Betriebswerk im alten Reichsgebiet bzw. der späteren Bundesrepublik.

    Der Ringlokschuppen Ost, nicht weit vom Hauptbahnhof entfernt in der Bultstraße 16, besteht aus zwei halbkreisförmigen Hallen mit einer Fläche von über 4.000qm sowie einer Deckenhöhe von bis zu 12m mit insgesamt 20 Wartungsgruben. Es sind zwei Drehscheiben mit jeweils ca. 20 m Länge vorhanden.

    Heute steht das Gebäude unter Denkmalschutz. Seit 2004 wird es von der Deutschen Bahn nicht mehr genutzt. Die technische Infrastruktur ist noch weitgehend erhalten, aber es gibt mehr und mehr Spuren von Vernachlässigung und Vandalismus.

    Inszenierung

    An die 700 Besucher und zahlreiche Eisenbahnfans waren fasziniert und begeistert von den beiden riesigen halbkreisförmigen Hallen, die jetzt seit ca. 11 Jahren der Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich sind. Sie waren beeindruckt von der Arbeitsatmosphäre vergangener Tage, unterstrichen von dem Geruch nach Ruß und Öl, den fächerförmig angelegten Gleisgruben, der Filigranität der Dachkonstruktion und der sich im Laufe des Tages verändernden eindrucksvollen Lichtverhältnisse. Inspiriert durch das Vorgefundene, gelang es, mit wenigen Gestaltungselementen die Gegebenheiten herauszuarbeiten und neu zu interpretieren. Entstanden sind so drei Räume mit unterschiedlichen Schwerpunkten.

    In der Eingangshalle erwartete den Besucher neben einem ersten Eindruck der Architektur und Informationen über den Ringlokschuppen, die „Grubenbar“. Ein Ort der Begegnung und Erfrischung in einer der Wartungsgruben (entwickelt aus den vorgefundenen Gleiskonstruktionen), der die Gäste bis weit in die Nacht hinein die Halle aus Sicht der früheren Betriebsarbeiter und Handwerker erleben ließ. Diese Atmosphäre wurde durch, von Soundkünstlern verfremdete,  Bahngeräusche und vor Ort erzeugten sanften Bassklängen noch unterstrichen.

    In einem abgeteilten Bereich der Halle, der sogenannten „Galerie“ zeigte eine Fotoausstellung auf sechzehn 4m langen Bannern Details der Ringlokschuppenarchitektur und steigerte so die Wahrnehmung der Architektur in der Architektur. Die Galerie lud ein zum Wandeln zwischen den Wartungsgruben, zum Verweilen und ruhigem Schauen.

    Höhepunkt dieses eindrucksvollen Ortes ist die zweite ungeteilte Halle, der „Dom“, die in ihrem Volumen die Größe der nicht mehr vorhandenen Lokomotiven erahnen lässt. Dieser Ort wurde mit seinen acht strahlenförmig angeordneten Gruben, den Arbeitspodesten und den noch vorhandenen Kranzügen zur Performance-Bühne. Die geführten Besucher konnten die sich in und zwischen den Gruben bewegenden Statisten beobachten, die subtile, bewegte Bilder bei wechselnder Beleuchtung, in Scheinwerferlicht und Nebelschwaden sowie vor Ort erzeugten sensiblen Percussionklängen boten. Unterschiedliche, aus der Architektur entwickelte Szenen interpretierten den Raum immer wieder anders und ließen das Publikum an Garten, Wasserspiele und Müllarbeit denken. Am Ende jeden Abends wurden die Statisten durch stürmischen Beifall belohnt.

    Organisation / Konzept / Künstler

    Mit freundlicher Unterstützung vom BDB Bezirksgruppe Hannover, dem BDIA Niedersachsen, sowie der DB Bahn AG. Andrea Gerke Architektin BDB, Michael Jülke Innenarchitekt BDIA, Heiner Lippe Architekt BDB, Irmgard Schwarz Architektin BDB, Kulturwissenschaftler Dr. Peter Struck. Akteure: engagierte Bekannte und Freunde, Musik: open synth hannover. Film: geomarfilm Hemmingen